Weltinnovationen aus Halle (Saale) am Beispiel Wabentechnologie

Wabenmaterialien sind faszinierende Werkstoffe, die Wissenschaftler und Ingenieure zu allen Zeiten begeistert haben. Die optimale hexagonale Form der Bienenwabe hat Euclid und Euler, Kepler, Kelvin und Darwin beschäftigt. Die Bauweise mit einem in Wabenform strukturierten Kernwerkstoff bietet nicht nur ein minimales Gewicht, sondern ermöglicht gleichfalls minimalen Materialverbrauch und ist daher auch in der Natur vielfach zu finden.

Sandwichbauteile mit einem leichten Wabenkern zwischen zwei Decklagen sind heute überall dort zu finden, wo Gewichtseinsparungen eine Kostenreduktion ermöglichen. Da die Materialkosten bei zunehmender Automatisierung der gesamten Fertigungskette einen immer größeren Anteil darstellen, liegt in der Einsparung von Rohmaterial der Schlüssel zur Realisierung entscheidender Gewichts -und Kostenvorteile.

Das älteste Herstellungsverfahren, das nach dem Vorbild der Natur geschmolzenes Material verwendet, soll schon der griechische Urvater der Ingenieure, Daedalus, zur Herstellung einer goldenen Wabe mit Hilfe einer verlorenen Wachsform genutzt haben.

Das heute übliche Verfahren zur Herstellung von Wabenmaterialien durch das Expandieren von verklebten Papierlagen hat den Erfolg der Sandwichbauweise in der Luft- und Raumfahrt ermöglicht. Es wird vom heutigen Weltmarktführer, dem amerikanische Unternehmen Hexcel Composites (Jahresumsatz von über eine Mrd. Dollar), seit über 50 Jahren erfolgreich verwendet.

Dieses Verfahren zur Wabenherstellung wurde ursprünglich für dekorative Anwendungen von der Halleschen Papierwarenfabrik Heilbrun & Pinner vor 105 Jahren in Halle (Saale) entwickelt. Erst kürzlich wurden die Patente, die dieses Beispiel für Innovationskraft von der Saale belegen, während einer Forschungsarbeit an der belgischen Universität K. U. Leuven wiederentdeckt. Nicht nur wesentliche Verfahrensentwicklungen und Anwendungsideen, sondern auch die Materialstruktur der expandierten Waben stammen aus Halle (Saale). Die Hallesche Papierwarenfabrik Heilbrun & Pinner hat mit der Erfindung von dekorativem Wabenpapier (1901) und dessen automatisierten Produktionsverfahren (ab 1903) einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung von Wabenkernen geleistet.

Die Firma Heilbrun & Pinner wurde in Halle an der Saale gegründet, hatte ihren Hauptsitz seit 1900 in der Geiststraße in Halle und besaß um 1910 bereits Zweigstellen in Paris, London und New York. In den 20er Jahren hatte das Unternehmen einige hundert Mitarbeiter sowie einen Exportanteil von 90 Prozent.

Heilbrun & Pinner ist ein herausragendes Beispiel für Impulse, die von der hiesigen Industrie weit über die Grenzen der Saalestadt bis in die Gegenwart hineinreichen.

Die Produkte der Firma, dekorative Objekte und Karten, wurden insbesondere in die USA und nach Großbritannienexportiert. Nach dem Erfolg in dekorativen Anwendungen fanden Papierwabenmaterialien und der Expansionsprozess zur Wabenherstellung ab 1940 technische Anwendung in Sandwichbauteilen.

Harzimprägnierte Papierwabenmaterialien besitzen außergewöhnlich gute mechanische Eigenschaften bei sehr geringem Materialaufwand und ermöglichen daher ein großes Gewichts- und Kosteneinsparpotential. In der Luft- und Raumfahrt werden Waben aus Aramidfaserpapier seit vielen Jahrzehnten bevorzugt als Kernwerkstoff in druck- und biegebelasteten Sandwichstrukturen verwendet.

Auch bei der Anwendung von Wabenstrukturen in Sandwichbauteilen hatte Sachsen-Anhalt die Nase vorn. In einem Entwicklung und Produktion von dekorativen Sandwichplatten und -bauteilen umzusetzen.

Ferner wird seit Mitte 2006 in einem Projekt mit der Bürgerstiftung Halle und Historikern von Klio Research – History Service die industrieentwicklungsgeschichtliche Bedeutung der Halleschen Papierwarenfabrik Heilbrun & Pinner untersucht. Die jüdischen Gründerfamilien der Firma Heilbrun & Pinner mussten 1936 Deutschland verlassen. Nun bestehen Kontakte zu den Nachfahren der Familien in den USA und Großbritannien, die helfen die Firmengeschichte zu dokumentieren.

Die Neuansiedlung des Unternehmens EconCore, dessen Produktionsverfahren an die Innovationen dieser hier ehemals ansässigen Fabrik anknüpfen, wird eine Brücke von der Geschichte der dekorativen Anwendungen der Wabentechnologie in Halle zu neuen Innovationen aus Halle bilden.

Diese Anknüpfung an die über hundertjährige Geschichte durch innovative Produktionsverfahren wird neue Produktentwicklungen mit Wabenkernmaterialien für viele Industriezweige ermöglichen. Die Innovationen in der Wabentechnologie sollen somit an den Ursprung der heutigen Wabentechnologie nach Halle an der Saale zurückkehren.

Jochen Pflug 
Der 1969 in Wiesbaden geborene Autor, studierte in Aachen Luft- und Raumfahrtechnik und absolvierte an der K.U.Leuven in Belgien den Master in Polymer and Composites Engineering. Er promoviert dort seit 2000 über kontinuierlich produzierte Wabenkerne und ist seit 2005 ist er Geschäftsführer der JPflug E.S. GmbH mit Sitz Halle und Managing Director der EconCore N.V. in Leuven